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Essstörungen – Eure Fragen, meine Antworten!

Essstörungen – ein Krankheitsbild, das mittlerweile viel verbreiteter ist, als die meisten es glauben wollen und doch wird kaum darüber gesprochen.

Es liegt mir persönlich am Herzen, für mehr Verständnis und vor allem für Aufklärung rund um dieses sensible Thema zu sorgen. Daher habe euch kürzlich in meiner Insta-Story darum gebeten, mir eure Fragen bezüglich Essstörungen zu stellen.

Vielen Dank für all eure lieben Nachrichten und Worte! Im folgenden Artikel werde ich auf 10 Punkte genauer eingehen. Falls ihr noch etwas anderes wissen wollt, könnt ihr mir gern jederzeit schreiben!

  1. Unter welcher Essstörung leidest du?

Die Ärzte haben bei mir eine a-typische Anorexie, sowie Depressionen diagnostiziert.

  1. Wie kam es zu deiner Essstörung? Gab es spezielle Gründe, warum du da rein gerutscht bist?

Die Essstörung hat sich bei mir über Jahre Schritt für Schritt eingeschlichen. Es gab vielerlei Gründe, die mich letztendlich in die immer tiefer werdende Abwärtsspirale geführt haben. Allerdings sind die speziellen Auslöser zu privat, um sie hier detailliert zu veröffentlichen.

  1. Wie hast du den Anfang aus der Essstörung gefunden? Was war für dich persönlich der „Weckruf“?

Nachdem ich im letzten Sommer aus Rostock nach Hamburg gezogen bin, habe ich die ersten zwei Monate in meiner „neuen alten Heimatstadt“ im Prinzip nur bei Ärzten und im Krankenhaus verbracht. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden ich am Telefon in Warteschleifen von verschiedenen Praxen hing. Ständig von einem Spezialisten zum nächsten zu laufen und jedes Mal der einzige junge Mensch unter den Patienten zu sein, ist ein furchtbares Gefühl.

Die Diagnosen sprachen für sich. Mein Körper war so schwach geworden, dass er nicht mehr ausreichend Blutkörper produzierte, in meinen Organen und im Herz hatte sich mittlerweile Flüssigkeit gesammelt. Es war eine Hämatologin, die mir glasklar sagte, dass ich auf dem direkten Weg in den Tod bin, wenn ich so weitermachen würde.

Und mit einmal hat es Klick gemacht. Es war im Auto auf dem Rückweg von einem Termin, als ich neben meinem Papa saß und sagte: „So Papa, das war’s. Ich will das nicht mehr, ich hole mir jetzt mein Leben zurück.“

Gesagt – getan: Zu Hause angekommen habe ich mir ein Notizbuch und meinen Laptop zur Hand genommen, angefangen zu googeln und mich zu informieren. Noch am selben Tag habe ich mir ein Essplan erstellt und diesen von diesem Moment an ohne Ausreden und Entschuldigungen eingehalten.

  1. Mit welchem Essen haderst du besonders?

Es hat tatsächlich erstaunlich lange gedauert, bis ich eine wirkliche Antwort auf diese Frage gefunden habe. – Was ich für mich persönlich als positiven Fortschritt wahrnehme!

Früher hätte ich endlose Listen an „Fearfoods“ schreiben können, mit nahezu allen Lebensmitteln, die eine hohe Kaloriendichte enthalten. Ich möchte hier bewusst keine exakten Beispiele nennen, um mögliche Trigger zu vermeiden. Doch mittlerweile kann ich glücklicherweise sagen, viele dieser Ängste größtenteils überwunden zu haben. Und zwar indem ich genau die „Fearfoods“ immer wieder gegessen habe, so lange bis ich mich daran gewöhnt habe.

Klar ist es noch immer ein anderes Gefühl ein Croissant zu essen, als ein Vollkorn-Brötchen, aber ich esse beides, je nachdem worauf ich Lust habe und das fühlt sich unheimlich gut an.

  1. Wie hast du während deiner Gewichtszunahme gegessen? Hattest du einen Essplan?

Zu Beginn meiner „Recovery-Zeit“ habe ich mich streng an einen Essplan gehalten. Es war mir gar nicht anders möglich, da ich jegliches Gefühl für Portionen verloren hatte und andernfalls niemals genügend zu mir genommen hätte. Der Essplan bestand aus 3 Hauptmahlzeiten und jeweils 2 festen Snacks dazwischen. Manchmal kam noch ein dritter Snack vor dem zu Bett gehen dazu, wenn es ein besonders aufregender Tag war. So

  1. Wiegst du deine Lebensmittel?

Nein, zum jetzigen Zeitpunkt wiege ich so gut wie keine Lebensmittel mehr.

Anfangs, als ich noch einen Essplan hatte, habe ich alles abgewogen. Es war wie gesagt zu dem Zeitpunkt der einzige Weg, auch wirklich genug zu essen. Meine Wahrnehmung war so verstört, dass ich permanent dachte, ich würde wahnsinnig viel essen. So habe ich mir schrittweise wieder beigebracht, wie durchschnittliche Mengen aussehen. Heute wiege ich nur noch Grundzutaten, wie Pasta, Reis oder Haferflocken. Mein großes Endziel ist es allerdings auch das eines Tages nicht mehr zu machen, da ich wieder vollkommen intuitiv essen können möchte.

  1. Wie teilst du „deine Kalorien“ über den Tag auf?

Da ich mittlerweile weder zähle, noch abwiege, gibt es für mich keine Aufteilung mehr. Je nachdem in welchem Stadium man sich befindet, würde ich wie gesagt zu 3 Hauptmahlzeiten und 2-3 Snacks raten und die individuell benötigte Kalorienanzahl dementsprechend aufteilen.

  1. Wie machst du es, wenn du nicht mehr zunimmst obwohl du noch zunehmen musst? Was machst du um zuzunehmen?

Wenn ich merke, dass das Gewicht anfängt zu stagnieren, überlege ich mir neue „Challenges“, die ich in meinen Alltag einbaue. Wer mich kennt, weiß von meiner #nevernoicecream Challenge, die wie folgt aussieht: zuerst habe ich mir jeden Freitag, nach dem Abendessen, einen großen Eisbecher gemacht. Das hat anfangs gut geklappt und war auch auf der Waage zu sehen. Irgendwann waren die Fortschritte aber nicht mehr so, wie ich sie mir vorstellte und deshalb hab ich mir persönlich die #nevernoicecream Challenge gestellt. Deshalb esse ich jetzt jeden Tag Eis. Zwar nicht jeden Tag so eine große Portion wie freitags, aber ein Tag ohne die süße Leckerei gibt es bei mir nicht mehr.

Darüber hinaus backe ich zum Beispiel auch einen „Kuchen der Woche“. So versuche ich mir die Gewichtszunahme ein bisschen „spielerisch“ zu erleichtern und für mich persönlich klappt das auch sehr gut. Falls ihr mehr über meine „Challenges“ erfahren wollt, lasst es mich wissen und ich schreibe gern einen separaten Blogartikel dazu.

Ich bin unendlich dankbar, durch meine Zeit beim Leistungssport, Selbstdisziplin erlernt zu haben. Wenn der Trainer damals früh morgens sagte, wir sollen in das kalte Wasser springen, gab es auch keine Alternative – dann wurde es gemacht. Diese Disziplin habe ich beibehalten.
Wenn ich mir etwas vornehme, arbeite ich gewissenhaft daran, bis ich mein Ziel erreicht habe.

  1. Was hälst du von Fresubin?

Das ist für mich eine sehr besondere Frage, da ich persönlich mit Fresubin eine gewisse Geschichte verbinde.Vorweg noch eine kurze Erklärung, für jene, die Fresubin noch nicht kennen: Es handelt sich um hochkalorische Trinknahrung, die den Körper im Ausnahmezustand mit den nötigen Nährstoffen versorgt.

Als ich damals ins Krankenhaus kam, war mein Körper in einem Zustand, indem Fresubin überlebensnotwenig war. Ich erinnere mich noch genau daran, wie mein Vater mich bat, es zu trinken und ich in Tränen ausbrach. Ich habe es

gehasst und tausend mal gesagt, ich würde davon aufgehen wie ein Masttier.

Trotzdem habe ich es durchgezogen, aus Liebe zu meinem Vater. Heute bin ich so dankbar dafür, denn es hat mir mein Leben gerettet. Sicherlich gibt es schönere Wege zuzunehmen, aber die Essstörung war so tief verwurzelt, dass ich es niemals geschafft hätte, meinen Körper über normale Nahrung mit genügend Nährstoffen zu versorgen.

Später haben wir eine gemeinsame Tradition daraus gemacht. Während ich mein Fresubin trank, hat mein Papa sich eine heiße Schokolade oder ein Trinkjoghurt geholt. Er hat mir so viel Kraft gegeben, das kann ich nicht in Worte fassen. Zusammenfassend finde ich es sehr gut, dass es Fresubin gibt. Ich glaube nicht, dass es jemand gern oder aus Spaß trinkt, aber in manchen Fällen ist es der einzige Weg für den ersten Schritt in eine glückliche Zukunft.

  1. Woher nimmst du diesen enormen Willen und auch die Kraft, das alles zu schaffen?

Jedes Mal wenn es mir schwer fällt, esse ich für meine Liebsten. Für meine Familie und für Jamie. So sehr ich das Essen dann hasse, meine Familie ist das Wichtigste auf der Welt für mich und ich möchte ihnen zeigen, dass ich es schaffe, die Krankheit zu besiegen.

Ich möchte wieder raus gehen können, ohne Thermo-Kleidung darunter zu tragen. Ich möchte wieder in den Spiegel sehen können und dabei lachen. Ich möchte wieder Sport machen dürfen, möchte noch so viel erleben und das geht nur mit einem gesunden Körper.
Außerdem habe ich den ein oder anderen Trick ausgedacht, wenn die Krankheit meine Gedanken vernebelt. Wenn ich das allerdings noch in diesem Bericht ausweite, wird dieser Artikel endlos lang. Wenn euch Genaueres interessiert, sagt gern Bescheid!

Ich hoffe die Antworten konnten euch einen besseren Einblick in diese tückische Krankheit geben. Ihr könnt euch jederzeit an mich wenden und ich versuche euch so gut es geht weiterzuhelfen.

Eure Sophie

PS.: Update aus dem Jahr 2022: Ich habe mein Psychologie-Studium und meine Coaching-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Schreib mir gern eine Mail, wenn dir das Thema Sorgen bereitet und du Interesse an einem kostenlosen und unverbindlichen Erstgespräch hast.

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