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Studieren mit Essstörung? Mein erstes Jahr im Psychologiestudium an der Universität Hamburg

Lange Zeit war es still hier auf meinem Blog – ein Jahr ist es nun vergangen, seitdem der letzte Artikel erschien. Ein aufregendes Jahr voller neuer Eindrücke, Hürden & Herausforderungen, die mich lernen und wachsen ließen. Offline ist so viel passiert, dass ich erstmal Raum & Zeit brauchte, um all das zu verarbeiten, bevor ich es online teilen kann.

Im vergangenen Herbst, genauer gesagt im Oktober 2018 habe ich mein Psychologiestudium und somit einen völlig neuen Lebensabschnitt begonnen. Um den Werdegang nachvollziehen zu können, werde ich an dieser Stelle kurz etwas weiter ausholen.
Nachdem ich im Frühjahr/Sommer 2017 mein Abitur gemacht habe, stand ich zum zweiten Mal (nach meinem Krankenhausaufenthalt im Mai 2016) am Tiefpunkt meines physischen und psychischen Zustandes. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, mich in dem darauffolgenden Jahr voll und ganz um meine Gesundheit zu kümmern. Dieses „Recovery“-Jahr war rückblickend wohl bisher das lehrreichste Jahr meines Lebens und wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, verfasse ich einen separaten Artikel darüber. Schreibt mir gern, falls Interesse daran besteht.

Da es mir sowohl mental als auch körperlich immer besser ging, habe ich mich im Juni 2018 für ein Psychologie-Studium an der Universität Hamburg beworben. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, am 13. August um 10:40 Uhr als plötzlich die Zulassungsmail in meinem Postfach einging. Freudentränen, Herzklopfen und Angst zugleich. Ich würde tatsächlich mein Studium beginnen.

Auch wenn mein gesundheitlicher Zustand bis dahin bereits um Welten besser war, als nach meinem Abitur, war ich noch immer sehr untergewichtig. Noch ausschlaggebender war jedoch meine damalige Denkweise. Essstörungen sind nicht anhand des Gewichtes definierbar, es sind vor allem die Gedankenmuster, die selbst auferlegten Zwänge, Regeln und Verbote – und diese waren zu diesem Zeitpunkt noch in gewissen Zügen vorhanden.

Die letzten Wochen bis zum Mathe-Vorkurs, der Ersti-Woche und dem Vorlesungsbeginn sind wie im Flug vergangen. Und dann war es wie ein Sprung ins kalte Wasser. Während im Jahr zuvor der Fokus voll und ganz auf Genesung lag, prasselten nun Tag für Tag neue Eindrücke auf mich ein, die natürlich mit viel Aufregung verbunden waren. 2017 habe ich mich nicht mal getraut mein Essen im Restaurant selbst zu bestellen und nun ging es allein zum Campus der öffentlichen Uni einer Großstadt. Mir schlug das Herz bis zum Hals und meine Stimme zitterte, als ich meinen Namen in einer Kleingruppen-Vorstellungsrunde sagen sollte. Aber all das gehört dazu und all das hat dafür gesorgt, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, was Andere von mir denken würden, habe mich unwohl gefühlt und musste über meine Schatten springen – aber mit jedem Schritt aus der Komfortzone bin ich Stück für Stück gewachsen.

Dennoch muss ich sagen: Viel Aufregung kostet auch viel Energie. Und es war bei mir schon immer so, dass mir das Essen schwer fiel, wenn viele aufregende Dinge passierten. Trotzdem wusste ich genau, dass ich nicht nur ausreichend essen musste, um die neuen alltäglichen Aufgaben zu bewältigen, sondern dass ich zeitgleich alles daran setzen musste, meinen Körper nach der jahrelangen Tortur zu heilen und vollständig zu genesen. Das tückische an dieser Krankheit ist, dass sie sich in den harten Momenten versucht durchzuschleichen und nochmal Kraft zu gewinnen. Wenn ich das Gefühl hatte, dass mir die Uni über den Kopf wuchs, konnte ich richtig spüren, wie sich alte Verhaltensmuster an die Oberfläche drängen wollten. Ich bin so glücklich, dass ich an einem Punkt stehe, wo ich das selbst bewusst wahrnehmen und dadurch verhindern kann.

Und so verflog das erste Semester, die erste Prüfungsphase und schon stand das Zweite vor der Tür. Jetzt ist auch das vorbei und ich habe noch knapp 2 Wochen Semesterferien bis dann das Dritte beginnt. Wenn ich heute auf mein „Ich“ zurückblicke, hat sich bereits im ersten Teil meines Studiums so viel verändert und ich bin schon sehr gespannt darauf, was mich die kommenden Monate lehren werden.

Mit diesem Artikel möchte ich nicht sagen, dass mein Studiumsbeginn sonderlich außergewöhnlich gewesen wäre. Lässt man den Aspekt der Essstörung außen vor, spüren glaube ich viele junge Leute diese Aufregung und Unsicherheit, wenn dieser Lebensabschnitt beginnt. Es ist ein Prozess, der zum Erwachsenwerden dazu gehört. Ein Prozess, den ich in den letzen 365 Tagen erleben durfte.

An dieser Stelle möchte ich dir danken, dass du bis hierhin gelesen hast. Ich wünsche dir einen wunderbaren Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem wann du diese Zeilen liest.

Deine Sophie

2 Comments

  1. Sophie Schremmer

    19. November 2019 at 22:31

    Ich würde gern was über dein Recovery Jahr lesen 🙂

    1. Sophie Maria Rudolph

      16. Oktober 2020 at 12:22

      Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung! Dann weiß ich Bescheid und werde diesbezüglich einen oder mehrere Artikel verfassen.

      Liebe Grüße!
      Sophie

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